Die meisten Menschen schlüpfen hin und wieder in die Rolle anderer Menschen, um sich auszuprobieren und ihrer eigenen Identität zu versichern. Je nachdem, ob sie Theater spielen, Mittelaltermärkte abhalten, Schlachten noch einmal schlagen, lässt das auch Rückschlüsse auf sie selbst zu. Auf Grund der Begeisterung für die Wikinger (siehe z.B. oben Wikinger-Hochzeit), fragten sich Forscher: „Wer waren die Wikinger und was macht sie so faszinierend?“ Wilde Krieger mit gehörnten Helmen waren die Wikinger sicherlich nicht, aber man ist von diesem Klischee fasziniert, von ihrem Mut, vielleicht, weil man sich in einer Zeit voller Unsicherheit und technischer Raffinesse nach tatkräftigen Helden sehnt, denen nicht nur Wind und Wetter, sondern auch Fremde und Feinde anscheinend nichts anhaben konnten. Man projiziert die eigenen Sehnsüchte auf eine nur ungenau bekannte Vergangenheit, was der polnische Soziologe Zygmunt Bauman Retropia nannte.
Bemerkenswert ist, dass Wikinger von Rechts bis Links als Projektionsfläche genutzt werden. Das legt nahe, dass ein Mangel an Vorbildern quer durch alle Gesellschaftsschichten empfunden wird.
Studiozeit des Deutschlandfunks.
Sendetermin 27.4.2017:
Audio: